eProcurement im industriellen Einkauf: Strategische Steuerung statt operativer Wildwuchs
- David
- 24. Juli
- 7 Min. Lesezeit

1. Ausgangslage: Der industrielle Einkauf zwischen Effizienzdruck und Komplexitätsfalle
Laut einer McKinsey-Studie aus dem Jahr 2023 liegt das ungenutzte Effizienzpotenzial im indirekten Einkauf in Industrieunternehmen bei bis zu 25 % der gesamten operativen Einkaufskosten. Gleichzeitig geben über 60 % der Einkaufsleiter an, dass ihre bestehenden Systeme nicht in der Lage sind, die Komplexität dezentraler Beschaffungen zu bewältigen. Diese Diskrepanz zeigt das enorme Optimierungspotenzial, das durch den Einsatz moderner eProcurement-Lösungen ausgeschöpft werden kann – gerade im Hinblick auf Kostensenkung, Prozessautomatisierung und Compliance.
Der Einkauf in Industrieunternehmen hat in den letzten Jahren erheblich an strategischer Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen: volatile Lieferketten, zunehmende Variantenvielfalt, ESG-Kriterien und steigender Margendruck zwingen Organisationen dazu, ihre Prozesse zu digitalisieren – insbesondere im indirekten Einkauf. Gerade dort, wo Bedarfe abseits des Produktionsmaterials entstehen, entstehen heute hohe Transaktionskosten, unkontrollierbare Beschaffungswege und intransparente Ausgabenströme. Genau hier setzt eProcurement als methodisch wie technologisch integrierter Ansatz an.
Kurzfassung: eProcurement im industriellen Einkauf
● eProcurement digitalisiert den gesamten Beschaffungsprozess – von Bedarfsmeldung bis Rechnung.
● Der indirekte Einkauf leidet oft unter Intransparenz, Maverick Buying und manuellem Aufwand.
● Zentrale Systemanforderungen: ERP-Integration, elektronische Kataloge, automatisierte Workflows, benutzerfreundlicher Zugang.
● Sonderbedarfe verursachen überproportionalen Aufwand – FACURA löst das über ein 1-Kreditor-Modell ohne Schnittstellen.
● Erfolgsfaktoren: saubere Stammdaten, klares Change Management, skalierbare Architektur.
● Fazit: eProcurement ist ein strategisches Werkzeug zur Effizienzsteigerung und Kostenkontrolle im Einkauf.
2. eProcurement: Begriffsschärfung und Einordnung
Die zunehmende Einführung von eProcurement-Technologien ist nicht nur eine Reaktion auf interne Prozessprobleme, sondern auch auf externe Anforderungen. Laut dem BME (Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik) setzen über 75 % der deutschen Industrieunternehmen inzwischen digitale Tools zur Beschaffungsoptimierung ein – Tendenz steigend. Der digitale Einkauf wird zunehmend als strategischer Wettbewerbsfaktor erkannt, insbesondere bei wachsender ESG-Relevanz und Lieferkettentransparenz.
eProcurement beschreibt die softwaregestützte Abwicklung von Beschaffungsprozessen über digitale Systeme. Es umfasst die vollständige Digitalisierung der Bedarfserfassung, Lieferantenauswahl, Bestellung, Bestellüberwachung sowie Rechnungsprüfung. Im industriellen Kontext sind besonders folgende Anwendungsfälle relevant:
● Abwicklung von indirekten Bedarfen wie C-Teile, Hilfs- und Betriebsstoffe, Dienstleistungen oder IT-Zubehör.
● Unterstützung bei der Umsetzung von Compliance-Vorgaben (z. B. Freigabeworkflows, Budgetkontrolle).
● Zentrale Steuerung heterogener Bedarfe aus dezentralen Organisationseinheiten.
Im Zentrum steht dabei der Anspruch, Beschaffungsprozesse zu standardisieren, Transaktionskosten zu reduzieren und Ausgabenströme vollständig digital abzubilden.
3. Strukturelle Schwächen im indirekten Einkauf industrieller Unternehmen
In vielen Industrieunternehmen steht der strategische Fokus des Einkaufs traditionell auf der Beschaffung von Produktionsmaterialien. Der indirekte Einkauf – also alle nicht produktionsbezogenen Bedarfe wie Werkzeuge, Verbrauchsmaterialien, IT-Zubehör, Dienstleistungen oder Bürobedarf – wird dagegen oft operativ, reaktiv und dezentral abgewickelt. Diese Vernachlässigung hat gravierende Folgen:
3.1 Fehlende Systemunterstützung und hohe Prozesskosten
Studien zufolge betragen die durchschnittlichen Prozesskosten einer manuellen Bestellung im indirekten Einkauf rund 100–150 €, unabhängig vom Warenwert. Durch die vollständige Digitalisierung dieser Prozesse mit eProcurement-Systemen lassen sich diese Kosten auf unter 30 € pro Transaktion senken – eine Einsparung von bis zu 80 %, die besonders bei häufigen Kleinbestellungen entscheidend ist.
Während der direkte Einkauf häufig durch etablierte Prozesse im ERP-System und Rahmenverträge gesteuert wird, erfolgt die indirekte Beschaffung häufig außerhalb der Systemlandschaft. Bedarfe werden per E-Mail, Telefon oder über Online-Shops manuell abgewickelt. Dadurch entstehen:
● Hohe manuelle Aufwände für Bedarfserfassung, Lieferantenauswahl, Bestellung und Rechnungsprüfung
● Intransparente Prozessschritte, die weder steuerbar noch auswertbar sind
● Fehlende Skaleneffekte, da Volumina nicht gebündelt werden
Die Konsequenz sind überhöhte Prozesskosten – oft ein Vielfaches des Warenwerts – sowie Risiken in der Budget- und Lieferantentransparenz.
3.2 Maverick Buying: Systematischer Kontrollverlust
Maverick Buying verursacht laut Capgemini Research durchschnittlich 15–20 % Mehrkosten pro Bestellung, da Rabatte, Vertragskonditionen und gebündelte Volumina nicht genutzt werden. In Unternehmen mit dezentralen Strukturen kann dies zu Verlusten in Millionenhöhe pro Jahr führen. eProcurement-Systeme mit integrierten Genehmigungs- und Katalogmechanismen reduzieren diese Risiken erheblich, indem sie den Einkauf in verbindliche und geprüfte Bahnen lenken.
Ein zentrales Problem im indirekten Einkauf ist das sogenannte Maverick Buying – also der Einkauf außerhalb genehmigter Prozesse und Lieferanten. Gründe dafür sind meist:
● Zeitdruck und fehlende Verfügbarkeit im internen Katalogsystem
● Restriktive ERP-Prozesse, die spontane Bedarfe nicht abbilden
● Geringe Benutzerfreundlichkeit bestehender Systeme
Dieses Verhalten führt nicht nur zu Compliance-Verstößen, sondern auch zu einer Vielzahl ungeprüfter Einzelrechnungen, fehlender Kostenstellenzuordnung und Lieferantenwildwuchs.
3.3 Unwirtschaftlicher Umgang mit Sonderbedarfen
Insbesondere Sonderbedarfe – etwa für einmalige Anschaffungen, Nischenprodukte oder kurzfristige Ersatzteile – entziehen sich häufig der standardisierten Beschaffung. Für solche Einzelanforderungen werden oft neue Kreditoren angelegt, Zahlungen per Kreditkarte oder Barzahlung abgewickelt und Rechnungen manuell verarbeitet. Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Wert des Beschaffungsobjekts – das Verhältnis von operativem Aufwand zu Einkaufswert liegt hier nicht selten bei über 1:1.
3.4 Fehlende Transparenz und Reportingfähigkeit
Da viele indirekte Bestellungen außerhalb des ERP oder in fragmentierten Subsystemen erfolgen, fehlt dem Einkauf eine konsolidierte Übersicht über:
● Wer bestellt was, bei wem und zu welchem Preis?
● Welche Bedarfe sind wiederkehrend und könnten standardisiert werden?
● Wie hoch sind die Gesamtausgaben im indirekten Bereich?
Ohne diese Informationen bleibt eine zentrale Steuerung und Optimierung der indirekten Beschaffung unmöglich. Das führt dazu, dass die Einkaufsorganisation in diesem Bereich ihre strategische Steuerungsfunktion nicht wahrnehmen kann – mit unmittelbaren Effekten auf Kostenstruktur und Versorgungssicherheit.
4. Technologische Komponenten eines leistungsfähigen eProcurement-Systems
Ein leistungsfähiges eProcurement-System ist mehr als eine digitale Bestellmaske. Es muss die Komplexität industrieller Einkaufsprozesse abbilden, sich nahtlos in bestehende Systemlandschaften integrieren und gleichzeitig die Anforderungen verschiedenster Stakeholder erfüllen – vom strategischen Einkauf über Fachabteilungen bis zur Buchhaltung. Vier zentrale Komponenten sind dabei entscheidend:
4.1 Beschaffungssoftware mit tiefer ERP-Integration
Die technische Grundvoraussetzung für einen funktionierenden digitalen Einkaufsprozess ist eine professionelle Beschaffungssoftware, die sich nahtlos in das führende ERP-System des Unternehmens integrieren lässt. Die Integration muss bidirektional erfolgen:
● Datenbereitstellung: Artikelstammdaten, Warengruppen, Lieferantenkonditionen und Budgetinformationen müssen zentral gepflegt und aktuell sein.
● Transaktionsverarbeitung: Bestellungen, Auftragsbestätigungen, Lieferavis und Rechnungen müssen systemseitig durchgängig verarbeitbar sein – inklusive automatisierter Buchungslogik.
● Compliance-Prüfungen: Validierungen im Hintergrund (z. B. Budgetfreigaben, Lieferantenstatus, Preislimits) müssen integriert erfolgen.
Ziel ist ein vollständig digitaler „Purchase-to-Pay“-Prozess ohne manuelle Zwischenschritte – revisionssicher, dokumentiert und skalierbar.
4.2 Elektronische Kataloge und OCI-/Punchout-Anbindung
Eine leistungsfähige eProcurement-Umgebung muss die komfortable und regelkonforme Produktselektion ermöglichen. Zwei Modelle haben sich etabliert:
● Interne Kataloge: zentral gepflegte Kataloge mit festen Artikeln, Preisen und Warengruppenbezug – ideal für C-Teile und Standardartikel.
● Punchout/OCI-Schnittstellen: Anbindung externer Webshops, bei denen der Nutzer direkt Produkte auswählt; der Warenkorb wird anschließend strukturiert ins ERP-System zurückgeführt.
Die Kombination beider Ansätze erlaubt es, sowohl Standardartikel effizient zu beschaffen als auch Spezialbedarfe flexibel abzubilden. Wichtig: Kataloge müssen regelmäßig aktualisiert und mit internen Warengruppenstrukturen sowie Kostenstellenlogik verknüpft sein, um ein aussagekräftiges Reporting zu ermöglichen.
4.3 Workflow-Automatisierung und rollenbasierte Genehmigungssysteme
Gerade in der Industrie ist der Einkauf stark von organisatorischen Regelwerken und Verantwortlichkeitsstrukturen geprägt. Ein modernes eProcurement-System muss daher komplexe Freigabeworkflows abbilden können:
● mehrstufige Genehmigungen nach Kostenstelle, Betrag oder Artikelgruppe
● vertretungsfähige Rollenmodelle bei Abwesenheiten
● regelbasierte Eskalationsmechanismen bei Prozessverzögerungen
Workflow-Automatisierung bedeutet nicht nur Geschwindigkeit, sondern vor allem Regelkonformität, Nachvollziehbarkeit und Revisionssicherheit – wichtige Anforderungen insbesondere bei SOX- oder ISO-zertifizierten Unternehmen.
4.4 Benutzerzentrierung und Self-Service-Funktionalität
Ein häufig unterschätzter Aspekt: Ein eProcurement-System ist nur dann wirksam, wenn es von allen relevanten Nutzern akzeptiert und angewendet wird. Dazu gehören:
● operativ tätige Mitarbeiter in Fachabteilungen, die kurzfristig Bedarf anmelden
● technische Bereiche wie Instandhaltung oder Facility Management, die spezifische Artikel mit hohen Anforderungen benötigen
● die Einkaufsabteilung selbst, die mit Analysen, Lieferantenbewertung und Vertragsdaten arbeitet
Self-Service-Funktionalitäten, intuitive Oberflächen, mobilfähige Benutzerzugänge und einfache Bedarfsanmeldung erhöhen die Nutzungshäufigkeit – und verhindern Beschaffungen „am System vorbei“. Technisch bedeutet das: Rollen- und Rechteverwaltung, Benutzerfreundlichkeit und Systemperformance müssen in der Architektur von Anfang an mitgedacht werden.
Diese technologischen Bausteine ermöglichen erst die strategische Steuerung indirekter Beschaffungsvorgänge. Doch erst im Zusammenspiel mit einer durchdachten organisatorischen Implementierung entsteht ein funktionierendes eProcurement-System, das den Einkauf nicht nur digitalisiert, sondern auch professionalisiert.
5. Use Case: Sonderbedarfe effizient über ein 1-Kreditor-Modell abwickeln
Ein exemplarisches Praxisproblem: Ein Standort benötigt dringend ein Ersatzteil, das nur in einem Nischen-Webshop verfügbar ist. Der interne Prozess für Lieferantenneuanlage würde jedoch Tage dauern. Folge: Zeitverlust oder Maverick Buying.
FACURA adressiert dieses Problem mit einem 1-Kreditor-Modell, das speziell für Sonderbedarfe im indirekten Einkauf konzipiert ist:
● Ein zentraler Kreditor im ERP-System: Alle Webshop-Bestellungen laufen über FACURA.
● Digitale Bedarfsmeldung: Der Einkäufer sendet nur den Link zum gewünschten Artikel.
● Standardisierte Dokumente: Angebot, Lieferschein, Rechnung – alles in einheitlichem Format.
● Keine Systemintegration nötig: Bestellungen erfolgen im bestehenden Workflow, ohne neue Schnittstellen.
Damit entfällt der Aufwand für die Kreditorenanlage und die manuelle Prüfung von Einzelrechnungen vollständig. Ein klarer Effizienzgewinn – besonders für Industrieunternehmen mit vielen Einzelstandorten und variablen Bedarfen.
6. Implementierung: Erfolgsfaktoren und Stolpersteine
Laut einer Studie von Forrester Research scheitern über 50 % der eProcurement-Projekte nicht an der Technik, sondern an mangelnder Datenqualität und unzureichendem Change Management. Erfolgreiche Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie von Anfang an alle Stakeholder einbinden, klare KPIs definieren und die Systemeinführung schrittweise mit Quick Wins verbinden. Ein skalierbares Zielbild, das auch internationale Rollouts und zukünftige regulatorische Anforderungen berücksichtigt, ist entscheidend.
Die Einführung von eProcurement im industriellen Umfeld erfordert mehr als nur Softwarelizenz und Schulung. Folgende Aspekte entscheiden über den Erfolg:
6.1 Datenqualität und Systemharmonisierung
Fehlende Warengruppenlogik, inkonsistente Lieferantenstammdaten und fragmentierte ERP-Strukturen bremsen jede Digitalisierung. Eine konsolidierte Stammdatenstrategie ist Pflicht.
6.2 Change Management und Stakeholder-Einbindung
Einkaufsleiter müssen interne Kunden, IT, Controlling und Management frühzeitig einbinden. Nur wenn der Nutzen für jede Beteiligte klar ist, wird die Akzeptanz hoch sein.
6.3 Skalierbarkeit und Flexibilität
Systeme müssen auch für neue Standorte, Warengruppen oder internationale Anforderungen ausbaubar sein. Starre Lösungen erzeugen mittelfristig neue Silos.
7. Ausblick: Technologische und regulatorische Entwicklungen
Prognosen zufolge wird der Markt für eProcurement-Lösungen in Europa bis 2028 jährlich um über 10 % wachsen. Besonders gefragt sind Plattformen, die KI-gestützte Analytik, Lieferantenbewertung und nachhaltigkeitsbezogenes Einkaufsreporting integrieren. Auch die Einhaltung der EU-Lieferkettenrichtlinie und der CSR-Dokumentationspflichten werden künftig nur mit durchgängiger digitaler Unterstützung realisierbar sein.
Der Markt für eProcurement-Lösungen entwickelt sich rasant:
● Künstliche Intelligenz zur automatisierten Bedarfserkennung und Angebotsanalyse steht vor dem Durchbruch.
● ESG-Reporting wird auch im Einkauf zur Pflicht – digitale Systeme liefern hierfür belastbare Datenquellen.
● eInvoicing-Standards wie ZUGFeRD oder XRechnung setzen sich europaweit durch – Systeme müssen dies unterstützen.
Gleichzeitig werden Cloud-basierte Plattformmodelle wie FACURA zunehmend zum De-facto-Standard für schnelle, skalierbare und integrative Lösungen im indirekten Einkauf.
8. Fazit: eProcurement als strategisches Steuerungsinstrument
eProcurement ist kein reines Automatisierungsprojekt, sondern ein Hebel zur strategischen Steuerung des gesamten Einkaufs. Es erlaubt es Industrieunternehmen, ihre Prozesse zu verschlanken, Maverick Buying zu verhindern und gleichzeitig Transparenz, Compliance und Kostenkontrolle zu verbessern.
Die intelligente Kombination aus klassischer Beschaffungssoftware, elektronischen Katalogen, automatisierten Workflows und spezialisierten Lösungen wie FACURA eröffnet einen ganzheitlichen Ansatz – auch für hochkomplexe indirekte Beschaffungsbedarfe.
Empfehlung für Entscheider: Starten Sie mit einer klar priorisierten Digitalisierungsstrategie im indirekten Einkauf. Identifizieren Sie kritische Prozesse, analysieren Sie Schwachstellen und wählen Sie pragmatische, skalierbare Lösungen – mit messbarem Nutzen für Ihr Unternehmen.